Kinetische Energie und Trägheitstensor

Aus PhysikWiki
Version vom 9. August 2011, 13:12 Uhr von Schubotz (Diskussion | Beiträge) (Änderung 3758 von 198.36.222.8 (Diskussion) rückgängig gemacht.)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen




Betrachten wir eine infinitesimale Verrückung

dr¯=dr¯S+dx¯=dr¯S+dϕ¯×x¯dϕ¯:=n¯dϕ


In Kapitel 3.3 haben wir bereits mit infinitesimalen Drehungen gearbeitet. Dort handelte es sich um passive Drehungen. Hier haben wir es nun mit aktiven Drehungen zu tun → anderes Vorzeichen.


V¯:=dr¯sdt Schwerpunktsgeschwindigkeit


ω¯:=dϕ¯dt Winkelgeschwindigkeit

Damit ergibt sich die Geschwindigkeit eines beliebigen Aufpunktes des starren Körpers:


v¯=V¯+ω¯×x¯


Nebenbemerkungen:


ω¯ hängt von der Wahl von S ab.

Falls S der Schwerpunkt ist, so gilt:


i=1nmix¯(i)=0
nach Def. A) des starren Körpers


d3xx¯ρ(x¯)=0
Definition B) → Schwerpunktsvektor im körperfesten System
K¯

Kinetische Energie:

  1. 12i=1nmiv(i)2=12i=1nmi(V+ω×x(i))2=12i=1nmiV2+Vi=1nmi(ω×x(i))+12i=1nmi(ω×x(i))2

Mit den Beziehungen

i=1nmi=MV¯i=1nmi(ω¯×x¯(i))=(V¯×ω¯)i=1nmix¯(i)=0,dai=1nmix¯(i)=0(ω¯×x¯(i))2=ω2x2sin2α=ω2x2(1cos2α)=ω2x2(ω¯x¯)2=m=13n=13ωm[x2δmnxmxn]ωn

Somit folgt:

T=12i=1nmiv(i)2=12MV2+12m=13n=13ωmJmnωn

mit dem Trägheitstensor


Jmn:=i=1nmi[x(i)2δmnxm(i)xn(i)]


Der Trägheitstensor ist also durch die Massenverteilung bestimmt

Im Sinne der Definition B) dagegen gilt:


T=12d3xρ(x¯)(V¯+ω¯×x¯)2=12d3xρ(x¯)V2+(V¯×ω¯)d3xρ(x¯)x¯+12m=13n=13ωmJmnωnmitd3xρ(x¯)x¯=0


und dem Trägheitstensor


Jmn=d3xρ(x¯)[x2δmnxmxn]


Also gilt die Zerlegung der kinetischen Energie:


T=12d3xρ(x¯)(V¯+ω¯×x¯)2=12d3xρ(x¯)V2+12m=13n=13ωmJmnωn


T=12MV2+12ω¯J¯¯ω¯


Dabei ist


Ttrans=12MV2

kinetische Energie der translatorischen Bewegung


Trot=12ω¯J¯¯ω¯

kinetische Energie der Rotationsbewegung

Eigenschaften des Trägheitstensors

J¯¯

ist ein Tensor zweiter Stufe. Das heißt unter Drehungen

RSO(3)

transformiert er sich wie folgt:

R kennzeichnet dabei die Drehmatrizen im

R3

mit Orthogonalitätseigenschaft:

RRT=1,detR=1


Nun, er transformiert sich unter Drehungen wie folgt:

Wenn

xmxm´=n=13Rmnxn


Dann:

JmnJmn´=l=13s=13RmlRnsJls


Kompakt:


x¯x¯´=Rx¯J¯¯J¯¯´=RJ¯¯RT


Dabei bemerken wir: Matrizen sind einfach Zahlenschemata mit Zeilen und Spalten. Aber erst das Transformationsverhalten definiert einen Tenor (Im Gegensatz zu einer Matrix).

Tensor 1. Stufe:

xm´=n=13Rmnxn

= Vektor

Tensor 2. Stufe

Jmn´=l=13s=13RmlRnsJls


Tensor n-ter STufe:

Amn....x´=l,s,...,t=13RmlRns...RxtAls...t
wobei links n Indices stehen und rechts n mal die Drehmatrix angewendet wird (und jeweils von 1-3 summiert!)

Beweis des Transformationsverhaltens für

Jmn:=i=1nmi[(txt(i)2)δmnxm(i)xn(i)]


Zunächst zum Skalarprodukt:


xm´=n=13Rmnxntxt´2=tlsRtlRtsxlxs=ls(tRltTRts)xlxs=lsδlsxlxs=lxl2


das Skalarprodukt ist also invariant

Aber auch das Delta- Element ist invariant:


lsRmlRnsδls=lRmlRnl=lRmlRlnT=δmn


Kompakt:


R1RT=RRT=1


Also:


Jmn´=l=13s=13RmlRnsJls=i=1nmil=13s=13RmlRns[(txt(i)2)δlsxl(i)xs(i)]Jmn´=i=1nmi[(txt(i)´2)δmnxm(i)´xn(i)´]


Der Trägheitstensor J´ in den neuen Koordinaten ist also gleich dem alten, was Transformationsverhalten eines Tensors zweiter Stufe belegt:

Dabei gilt:


(txt(i)´2)δmn

ist der invariante Anteil


xm(i)´xn(i)´

hängt von der Wahl des körperfesten koordinatensystems ab.

Weitere Eigenschaften

Jmn

enthält einen kugelsymmetrischen, also rotationsinvarianten Anteil

(txt(i)2)δmn
Jmn
ist linear in der Massendichte. Der Trägheitstensor ist also additiv beim Zusammenfügen zweier starrer Körper
Jmn

ist ein reeller, symmetrischer Tensor, dargestellt durch die reelle, symmetrisch Matrix


J¯¯=d3xρ(x¯)(x22+x32x1x2x1x3x1x2x32+x12x2x3x1x3x2x3x12+x22)


Der Tensor ist diagonalisierbar durch die orthogonale Transformation

R0SO(3):


J¯¯´=R0J¯¯R0T=(J1000J2000J3)


Das heißt: Es existiert ein gedrehtes, körperfestes Koordinatensystem (y1,y2,y3) in Richtung der Hauptträgheitsachsen:


J¯¯´=d3yρ(y¯)(y22+y32000y32+y12000y12+y22)


Also:

Ji0

i=1,..,3, Matrix positiv semidefinit.

Die Diagonalisierung führt auf das Eigenwertproblem:


J¯¯w¯^(i)=Jiw¯^(i)

mit Eigenvektoren

w¯^(i)

und Eigenwerten Ji. Ein homogenes, lineares Gleichungssystem

Ziel ist es nun, die Hauptachsenrichtung

w¯^(i)

so zu suchen, dass

J¯¯

diagonal wird:


det(J¯¯Ji1)=0


Somit ergeben sich 3 reelle, positiv semidefinite Eigenwerte Ji

Das Trägheitsmoment

Trägheitsmoment bezüglich Achse

n¯:J(n¯):=n¯J¯¯n¯
Diese quadratische Form ist positiv semidefinit.


ω¯=n¯ωT=12ω2J(n¯)


Trägheitsellipsoid

Die Normierung des Trägheitsmomentes liefert eine Ellipsoidgleichung:

n¯J¯¯n¯=1.


Die Lage des Ellipsoids sind ist durch die Eigenvektoren

w¯^(i),
die Maße folgen aus den Ji derart, dass die zu
w¯^(i)

gehörige Achse die Länge

1Ji

trägt:

  1. Die Ji heißen Hauptträgheitsmomente (Trägheitsmomente entlang der Eigenvektoren= Hauptachsen)

Es gilt:


J1J2J3
unsymmetrischer Kreisel


J1=J2J3
symmetrischer Kreisel (axialsymmetrisch)


J1=J2=J3

kugelsymmetrischer Kreisel (nicht notwendigerweise Kugelform)

Satz von Steiner

Sei

Jmn
der Trägheitstensor in einem körperfesten System
K¯,
welches im Schwerpunkt S zentriert ist. Sei nun
K¯´

ein zu

K¯
achsparalleles, um den Vektor
a¯

verschobenes System. Dann ist

Jmn´ in K¯´
gegeben durch


Jmn´=Jmn+M[a2δmnaman]


Die beiden Koordinatensystem dürfen dabei nur durch die Translation um

a¯

unterschiedlich sein. Wesentlich ist vor allem, dass bei roationsvarianten Systemen keine Verdrehung der Achsen erfolgt!

Beweis:


Jmn´=d3x´ρ´(x¯´)[(txt´2)δmnxm´xn´]


Bei uns:

x¯´=x¯+a¯


Jmn´=d3xρ(x¯)[(t(xt+at)2)δmn(xm+am)(xn+an)]Jmn´=d3xρ(x¯)[(t[(xt)2+2(atxt)+at2])δmnxmxnxmanxnamaman]d3xρ(x¯)t(atxt)=d3xρ(x¯)(xman+xnam)=0wegend3xρ(x¯)x¯=0


Somit:


Jmn´=d3xρ(x¯)[(t(xt2+at2))δmnxmxnaman]Jmn´=Jmn+d3xρ(x¯)[(t(at2))δmnaman]=Jmn+M[a2δmnaman]


Speziell im Hauptachsensystem:

keine Außerdiagonalelemente: m=n:=i


Ji´=Ji+M(a2ai2)i=1,..,3 mit (a2ai2)

als Quadrat des Abstandes der beiden Drehachsen.

Dabei wird bei einer Verschiebung um

a¯

nur der Abstand der Drehachsen berücksichtigt. das heißt, die Komponente der Verschiebung in Richtung der Drehachse wird wieder quadratisch subtrahiert:


Beispiele

1. Kugelsymmetrische Massendichte:


ρ(x¯)=ρ(r)J1=J2=J3=:J3J=J1+J2+J3=d3xρ(r)[(x22+x32)+(x12+x32)+(x12+x22)]=d3xρ(r)2r23J=24π0Rdrr4ρ(r)


Bei homogener Massenverteilung:


M=4π3R3

bezüglich Schwerpunkt S

folgt:


J=83π0Rdrr4ρ(r)=2MR30Rdrr4J=25MR2


2. Abrollende Kugel: Momentaner Auflagepunkt ist A

Das Trägheitsmoment bezüglich der momentanen Drehachse durch den Auflagepunkt A:


JA=J+MR2=25MR2+MR2=75MR2